Im alltäglichen Sprachgebrauch ist Vertrauen durch die Qualität einer persönlichen Beziehung gekennzeichnet. Es bestimmt unser Verhalten gegenüber dieser Person oder Personengruppen.
Vertrauen kann aber auch die Überzeugung in eine Religion, in ein politisches System oder in den Arbeitsplatz bedeuten.
Vertrauen ist auch mit dem Aspekt einer Ungewissheit, einem Risiko, einer Hoffnung und einer eventuellen Enttäuschung verbunden.
Vertrauen hat also unterschiedliche Bedeutung. Ich möchte mich im folgenden Blogbeitrag allerdings mit der psychosozialen Seite des Vertrauens befassen.
Jeder Mensch strebt nach Vertrauen
Vertrauen ist die wichtigste Ausdrucksform der Wertschätzung und deshalb eine der Eigenschaften, die ein erfolgreicher Leader ausmachen.
Studien haben gezeigt, dass Mitarbeiter, denen im Homeoffice Vertrauen geschenkt wird, hervorragende Arbeit leisten!
Aber auch in unserem täglichen Leben als Eltern, in der Partner- und Freundschaft spielt Vertrauen natürlich eine wesentliche Rolle.
Vertrauen hat zwei Komponenten:
• das Selbstvertrauen:
das Vertrauen in sich selbst, in seine eigenen Fähigkeiten
• das Fremdvertrauen:
das Vertrauen in eine andere Person; sich auf jemanden anderen verlassen zu können
Beides sind erlernte Verhalten, die vor allem in unserer frühen Kindheit geprägt wurden. Sie hängen eng zusammen und beeinflussen sich gegenseitig.
Gesundes Fremdvertrauen fängt jedoch beim Selbstvertrauen an!
Entscheidend für unser Selbstvertrauen ist die Bindung zur Mutter. Wurden wir in unserer Kindheit ermutigt Neues auszuprobieren und häufig gelobt oder eher zurückgehalten oder sogar für Fehler bestraft? Eltern stärken das Selbstvertrauen ihrer Kinder, indem sie an ihre Fähigkeiten glauben und sie in ihrem Tun bestärken. Genauso lernen Kinder Menschen zu vertrauen. Sie erfahren, was es bedeutet, sich auf jemanden verlassen zu können. Umgekehrt lernen sie auch das Gegenteil, das Misstrauen, kennen. Misstrauen entsteht dann, wenn wir Vertrauen geschenkt haben und dabei verletzt, enttäuscht, abgelehnt oder verlassen wurden. Menschen, die oft enttäuscht wurden oder denen viel Unheil widerfahren ist, haben kein grosses Vertrauen!
Analog ist es in der Arbeitswelt. Übertragen Führungskräfte wichtige Aufgaben/Projekte und damit Verantwortung an ihre Mitarbeiter, so steigern sie nicht nur deren Innovationskraft und Kreativität, sondern sie zeigen Vertrauen. Studien belegen, dass „Vertrauen schenken“ leistungssteigernd wirkt.
Diesen Effekt haben die beiden Psychologen Robert Rosenthal und Lenore Jacobson bereits 1965 entdeckt, als sie ein Feldexperiment an einer amerikanischen Grundschule durchgeführt haben, welches in der Literatur als Rosenthal- oder Pygmalion-Effekt eingegangen ist.
In diesem Experiment teilten sie einigen Lehrern mit, dass aufgrund wissenschaftlichen Tests die Leistungspotenziale der Kinder eingeschätzt wurden. Ihnen wurde gesagt dass sie im kommenden Schuljahr eine Klasse übernehmen dürfen, die sich aus den Schülern mit dem höchsten Leistungssteigerungspotenzial zusammensetze. Nach Ablauf des Schuljahres waren diese Klassen deutlich besser als die anderen, ihre Noten, selbst der IQ der Schüler lag deutlich höher als bei denjenigen, deren Leistungssteigerungspotential nicht besonders hoch eingestuft wurde.
Nur hatten die Psychologen gelogen: Die Klassen setzten sich gar nicht aus den Besten zusammen, sondern aus einer Zufallsauswahl. Weil aber die Schüler selbst glaubten, zu den Besten zu gehören, und auch die Lehrer ihnen mehr zutrauten, stieg die Leistungs- und Lernkurve.
Das Selbstvertrauen, der Glaube an sich selbst, und die Bestätigung durch andere kann also sprichwörtlich «Berge versetzten».
Ein guter Leader macht andere Gross und stellt nicht sich in den Vordergrund. Er unternimmt alles, damit jeder Mitarbeiter sein volles Potential entfalten kann. Vertrauen ist das Resultat aus Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit und geringer Selbstorientierung. («The Trusted Advisor» von David Maister, Charles H.Green und Robert M. Galford)
Vertrauen stärkt die Beziehung
Stephen R. Covey vergleicht in seinem Buch «Die 7 Wege der Effektivität» die Beziehung mit einem Konto. Wenn wir Vertrauen schenken, so ist das jedes Mal wie eine Einzahlung auf das Beziehungskonto. Ist das Beziehungskonto gut gefüllt, kann eine kleine Vernachlässigung den Kontostand zwar reduzieren, ihn jedoch nicht ins Minus bringen. Wenn wir jedoch nie wirklich einzahlen, können wir keine echte Beziehung aufbauen.
Vor zwei Wochen wurde ich leider «Zeugin» davon, wie das Vertrauen von Mitarbeitern durch fehlende Wertschätzung stark verletzt wurde. Sämtliche Mitarbeiter eines Grosskonzerns wurden vor dem grossen gemeinsamen Meeting gebeten, die für sie wichtigsten Fragen einzureichen. Die Idee ist, dass der CEO dann auf die meistgenannten Themen im Meeting eingeht. Leider wurde die häufigste Frage, da sie eher unangenehmer Natur war, einfach ignoriert und nicht im Meeting aufgegriffen. Dies hat einen tiefen Kratzer in die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des CEO hinterlassen und damit das Vertrauen in ihn stark erschüttert. Hoffen wir, dass der CEO zuvor gut in das Beziehungskonto investiert hat. Ansonsten werden sich die Mitarbeiter in Zukunft wohl nicht mehr mit dem Unternehmen identifizieren können und nur noch Dienst nach Plan machen.
Veränderung beginnt bei einem selbst
Vertrauen schenken ist jedoch nicht nur Chefsache. In den Coachings mit Mitarbeitern höre ich immer wieder «Mein Chef schenkt mir kein Vertrauen». Meine Frage darauf ist dann immer «Schenken Sie denn Ihrem Chef Vertrauen»?
Veränderung beginnt immer bei einem selbst.
Es gelten dieselben Prinzipien wie in der Natur. Wenn wir etwas ernten wollen, dann müssen wir zuerst säen! Erst nachdem wir gesät haben, können wir für das Wachstum sorgen. Dann dürfen wir das Kostbare hegen und pflegen, bevor wir ernten können.
Herzlich
Ihre Sara Zehnder